Sonntag, 1. Mai 2005

Machtlose PR-Berater sinnieren über Blogs und Krisen-PR

Was waren vor Jahren die Zeiten schön, konnte man doch als vermeintlich gestandenes Unternehmen mit der simplen Androhung der Kürzung oder Streichung der Werbemassnahmen noch die Medien davon abhalten, kritische oder gehässige Berichte zu veröffentlichen...Da konnten noch die hochdotierten PR-Berater die arme Verwandschaft aus den Redaktionen und Anzeigenabteilungen um den "Budget-Finger" wickeln: da war Krisen-PR noch Scheckbuchdiplomatie und manch Redakteur und Verantwortlicher veröffentlichte schon mal aus Angst, zukünftig seine Raten für das Haus nicht mehr bezahlen zu können, ungeprüft hochgestochen formulierte PR-Meldungen als redaktionellen Beitrag. Damals waren Beziehungen und fette Budgets alles, DAS waren Zeiten...

Heute, tja heute gibt es Blogs und ein Haufen andere kostenlose oder -günstige Systeme, seine Meinung über das Klientel der PR-Berater-Brigade kundzutun, den Rest erledigen die Suchmaschinen und sensationsgeile klassische Medien. Selbsternannte Public-Relations-Experten finden das gar nicht nett, die Schlemmerzeiten wo ein Anruf Probleme beseitigte sind vorbei...Ein Haufen unkontrollierbare Anarchisten heizen Firmen und diskutable Geschäftsmodelle ein, Informationen verbreiten sich in Windeseile, Reaktionszeit null, vermeintlich Verantwortliche für den Schlamassel sind meist anonym, telefonisch nicht erreichbar und noch weniger erpressbar...

Da die PR-Berater dies wissen - oder zumindest wissen sollten - und der Fall Jamba ihre Hilf- und Machtlosigkeit eindrucksvoll ans Tageslischt gefördert hat, versuchen die hilflosen Helfer und selbstproklamierten Krisen-PR-Gurus jetzt in der Sache zu beraten, denn es ist unverbindlich und man setzt ja auf Prävention. Ich werde mal Eurem Euch ausgelieferten Klientel erklären, warum Ihr völlig hilflos seid und Eure (mehr oder weniger) teuer bezahlten Ratschläge sinnlos sind:
  1. Überraschungseffekt: Ihr habt null Reaktionszeit, das Geschriebene verbreitet sich jedoch durch a. Blogszene (Ping und Trackback sei dank) und b. Suchmaschinen schneller als Ihr PIEP sagen könnt
  2. Nicht-Kalkulierbarkeit: Zeitpunkt und Inhalt des Geschriebenen sind unvorhersehbar; deswegen ist diese Aussage von Peter Jordan für die Tonne ...sollten selbstverständlich mögliche Krisenszenarien schon zuvor durchgespielt werden. Auf diese Weise kann ein Unternehmen im Krisenfall schnell handeln. Zuvor ? Auf was denn hin ? Wann ? Wie ?
  3. Nicht-Erpressbarkeit: Die Androhung, den Werbegeldhahn zuzudrehen, beeindruckt hier niemanden, Scheck als Druckmittel fällt also aus
  4. Mangelnde Glaubwürdigkeit der Gegenmassnahmen: Auch wenn Ihr anfangt "dagegen zu schiessen", Euch glaubt keiner; bis das passiert, besteht zu diesem Thema bereits eine Meinung, die Ihr mit PR-Gequatsche kaum noch erschüttern könnt.
  5. Der Teufel scheisst auf den grossen Haufen: Kommt die Chose ins Rollen, dann springen auch verschiedene Medien auf das Thema drauf, die über eine beachtliche Reichweite verfügen, spätestens zu diesem Zeitpunkt ist es für Euch vorbei
Also, liebe PR-Berater in Sachen Blogs und Krisen-PR, was bleibt Euch dann noch ? Riiiichtig: Ihr könnt den Kunden über Monitoring vollquatschen - und ihm dies als Dienstleistung verkaufen - und wenn alles schon verloren ist, dem Kunden raten einen Medienanwalt aufzusuchen, der dann ergebnislos versucht, Hunderten von Bloggern - aus den USA, Burundi und Bulgarien die juristische Keule anzudrohen.

Ach, da wäre noch was: Ihr könntet - quasi als begleitende Massnahme - Eure PR-Lobbyisten dazu bewegen, die Politik zur Abschaffung der im Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit zu drängen (beispielsweise indem Ihr der weitestgehend verblödeten Gilde die Blogger als Cyber-Terroristen und ernstzunehmende Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit und Wirtschaft dieses Landes "verkauft"). Ja genau, je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass man in Sachen Blogs, viel mehr nach der Politik schreien sollte...Diese sollte doch mal endlich auf den Rücken der Steuerzahler nicht existierende Kommunikations- und Unternehmenskultur, sowie irrwitzige Megalomanie Eures Klientels gesetzlich als Corporate-Governance-Must verankern und eine staatliche Einrichtung zum Zwecke der Überwachung und Verfolgung der Blogs erschaffen, sonst hauen Eure Klienten hier ab, wenn man Ihnen den hässlichen Spiegel vorsetzt, gelle ?

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Zuletzt aktualisiert: 28. Dez, 15:30

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